Die Kulträder „Fixies“
Fahrräder sind eine bedeutende Erfindung und ein beliebtes Fortbewegungsmittel für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Mit ihnen können Radfahrer einfach vom Standpunkt A nach B radeln, sie als Sportgerät oder Ökotrendfahrzeug nutzen oder als Statussymbol besitzen. Die Hersteller von Fahrrädern unterstützen diese Trends durch eine Weiterentwicklung oder Modernisierung bestehender Konzepte und Designs. Eines dieser neuartigen Kulträder ist das „Fixie“.
André Wiesel ist 30 Jahre alt und mit Leib und Seele Radfahrer und Fahrradverkäufer. Er wuchs „mit dem Fahrrad unter dem Hintern auf“ und kennt sich auch mit der Technik von Bikes gut aus. Wiesels Augen leuchten, wenn Kunden etwas über Geländefahrräder wie BMX-, Mountainbike Räder oder „Fixies“ wissen wollen. Er erklärt hier im Blog, was „Fixies“ sind, für wen sie entwickelt wurden und was Polizei und Fahrradklub ADFC von diesen Fahrrädern halten. Interessant ist auch die Begründung zum Urteil des Verwaltungsgerichtes aus dem Jahr 2010, dass eine Beschlagnahme der Räder, wenn sie im Straßenverkehr genutzt werden, als rechtmäßig ansieht.
Worin unterscheiden sich „Fixies“ von anderen Fahrrädern?
Der Name „Fixie“, im Bezug auf Fahrräder, stammt vom englischen Begriff „fixed gear“ und bezeichnet, Räder, die seit einigen Jahren bei jungen Fahrradfahrern „im Trend“ liegen. Pedale und Hinterrad sind über die Kette fest (englisch: fixed) verbunden. Sie haben keinen Leerlauf und keine Rücktrittbremse, und wenn das Rad rollt, dreht sich die Pedale mit. „Fixies“ zählten zu den Geländerrädern, die ebenso wie Rennräder, Sportgeräte sind und laut Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) in Deutschland nicht für den Straßenverkehr zugelassen sind. Darum benötigen sie keine Beleuchtung, keine Klingel und keine Rückstrahler oder Reflektoren. „Fixies“ haben keine Gangschaltung, keine Lichtanlage und auch, ähnlich wie BMX oder Mountainbike Räder (MTB), keine Bremsen. Sie entlocken, durch auffallende Goldnaben-, Zahnriemen-Antriebe oder einem Retrolook Design vielen, besonders jungen Menschen, ein anerkennendes: „Cool“.
Im Aussehen unterscheiden sich „Fixies“ oft stark
In den USA sind die Markenführer für Bikes die Firmen Spezialized, Trek und Giant. Diese stellen auch „Fixies“ her. In Europa ist die Situation am Markt völlig anders. Auf der „EuroBike“ in Friedrichshafen, in Baden-Württemberg, zeichnete sich schon ab dem Jahr 2008 der Trend ab, dass auch kleinere Unternehmen, die zum Beispiel auf einem Rahmen „von der Stange“ stilvolle Designerelemente für „Fixies“ aufbauen, eine Chance auf dem Markt haben.
Zwei Beispiele wie „Fixies“ sein können:
In der kleinen Radschmiede Axiom Bikes, in Hamburg, wird ein schickes, etwa acht Kilogramm leichtes „Fixie“ hergestellt, dass mit Details wie einem golden eloxierten Sitzrohr beeindruckt. Wem auf langen Strecken das ständige Mittreten im Leerlauf zu viel wird, der steigt einfach ab und montiert das Hinterrad anders herum. Da die eingebaute Flipflopnabe von „Miche“ auf beiden Seiten einen Ritzelkranz hat, wird der Freilauf durch den Radwechsel zu oder abgeschaltet. Das Rad kostet etwa 1 200 Euro.
Ein Fixie der US-Marke „Trek“ heißt „District“ und kombiniert Aussehen und Technik von Retro und Moderne miteinander. Es hat auffällige Hochprofilfelgen einen Zahnriemenantrieb und zieht durch die nostalgisch anmutende Farbkombination oliv und brau optisch in den Bann. Die Griffe am Lenker und der Sattel sind aus die Gesundheit schonendem Leder. Das Rad kostet etwa 900 Euro.
Eines haben alle „Fixies“ gemeinsam: Sie sind Nachfolger der Bahnräder für Profifahrer. Da sie, wie diese, „etwas aushalten müssen“ verfügen „Fixies“ über eine robuste Bauweise und, da sie oft in Begleitfahrzeuge umgeladen und transportiert werden, über ein geringes Gewicht.
Die Vorteile eines „Fixies“:
Sie sind leichter als herkömmliche Räder
Sie sind robust und nicht reparaturanfällig
Der effektive, „runde“ Tritt kann ausdauernd trainiert werden (es muss immer pedaliert werden)
Es kann rückwärtsgefahren werden
Die Nachteile eines „Fixies“:
Der Einsatzbereich ist stark eingeschränkt
Die Teilnahme am Straßenverkehr ist in vielen Ländern verboten
Die Kette muss häufig nachgestellt werden. Es ist denkbar einen Kettenspanner einzubauen, bedeutet aber eine zusätzliche Technik
Ein sicheres Fahren und Anhalten ist nur nach einer längeren Eingewöhnung möglich
So kann ein „Fixie“ kostengünstig selbst gemacht werden
Theoretisch gesehen könnte aus jedem Standardrad ein „Fixie“ werden. Experten empfehlen dafür, die für „Fixies“ nicht benötigte Technik, einschließlich der Lenkergriffe, zu entfernten. Anschließend muss die herkömmliche Hinterradnabe gegen eine, die auf beiden Seiten Ritzel hat, eingetauscht werden. Denn nur mit einer Hinterradnabe mit beidseitigen Ritzeln kann der Radfahrer, durch ein Umdrehen des Hinterrades, mit oder ohne Freilauf weiterfahren.
Wie reagierte die Polizei auf „Fixies“ im Straßenverkehr
Bei Radfahrer in der Großstadt sind „Fixies“ wegen des Kultstatus und ihrer schnellen Einsatzbereitschaft, beliebt. Der Polizei sind sie, weil sie keine Lichtanlage, Klingel, Reflektoren oder Bremse haben und somit nach der Straßenverkehrsordnung nicht verkehrssicher sind, eher ein „Dorn im Auge“. Anfang 2010 teilte die Polizei in Berlin noch Verwarnungen für die Fahrer aus, die ihre Räder unberechtigterweise im Straßenverkehr nutzten. Da diese Maßnahme keinen Rückgang der Straftaten bewirkte, gingen die Beamten dazu über, die meist teuren Räder ganz aus dem Verkehr zu ziehen. Die betroffenen Radfahrer zeigten kein Verständnis und hinterfragten, ob die Beamten dazu berechtigt sind.
Ein Fahrradkurier, der täglich etwa 100 Kilometer mit seinem „Fixie“ zurücklegt, erklärt, dass die Bremsen wie bei einem Kinderdreirad funktionieren. Wird weniger getreten verlangsamt sich die Fahrt. Will der Radfahrer schneller voran kommen legt er sich nach vorne und verlagert sein Gewicht auf das Vorderrad. Auch die Polizei musste, nach Aussage von Beamten in Berlin, schon umdenken, denn diese berücksichtigten beim Stoppen von „Fiexies“ nicht, dass die Fahrer nicht sofort stehen bleiben können. Die Folge davon waren Auffahrunfälle der „Fixie“ Radfahrer auf Polizeiautos.
Fahrradkuriere und die Polizei
Der Berliner Verkehrspolizist Rainer Paetsch äußerte in einem Spiegel Interview 2010 die Meinung, dass es jedem einigermaßen durchschnittlich intelligenten Menschen klar sein müsse, dass ein Rad ohne Bremsen im dichten Großstadtverkehr extrem gefährlich ist. Er fährt täglich Rad und gibt zu bedenken, dass jeder Radfahrer ein Höchstmaß an Kraft und Konzentration braucht. „Fixies“ seien, besonders im Straßenverkehr schwer zu kontrollieren und es sei unverantwortlich sie für diesen zuzulassen. Paesch befürwortet auch eine Beschlagnahme der Räder.
Befragte Fahrradkuriere, die unerkannt bleiben wollen, sind da anderer Meinung. Sie erklären, dass die Polizei diese Räder in ihrer Anwendung nicht kenne und die Gefahrenanalyse der „Fixies“, aus diesem Grund ungünstig ausfallen müsse. Sie umgehen einer Auseinandersetzung mit der Polizei durch eine gegenseitige Information, wo die Polizei momentan kontrolliert, damit sie diese Stellen umfahren können.
Das Verwaltungsgericht entschied, das die Polizei zukünftig „Fixies“ beschlagnahmen darf
Das Verwaltungsgericht Berlin erklärte im Mai 2010 die Sicherstellung eines „Fixies“ durch die Berliner Polizei für rechtmäßig. In der schriftlichen Begründung des Urteils (1 K 927.09) bewerteten die Richter die Ausstattung des Bahnrades als nicht gesetzeskonform und bestätigten die Entscheidung der Polizei, es zur Gefahrenabwehr aus dem Verkehr zu ziehen. Das Abbremsen durch Gegentreten reichte dem Gericht, als Bremse im Sinne der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, nicht aus. Auch nicht das zusätzliche Anbringen einer Bremse am Vorderrad heißt es in der Urteilsbegründung.
Stellungnahme des Allgemeinen Deutschen Fahrradklub (ADFC) zur Sicherstellung von „Fixies“
Für den ADFC stellt sich die Frage, ob die Sicherstellung der „Fixes“ dem Übermaßverbot entspricht denn schon, wenn ein Fahrad über eine Vorderradbremse verfügt, kann mit ihm sicher gebremst werden. Eine Hinterradbremse wirkt schwächer und könnte durch ein Gegentreten im starren Gang ersetzt werden.
Sind Radfahrer nicht alle gleich?
Der ADFC-Rechtsreferenten Roland Huhn hält die Sicherstellung von „Fixes“ mit einer Vorderradbremse für unverhältnismäßig und rechtswidrig, denn aus dem auch rechtsgültigen „Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr“ ergibt sich, dass Radfahrer aus dem Ausland bis zu einem Jahr lang mit nur einer Bremse am Fahrrad in Deutschland fahren dürfen. Außerdeutsche Radfahrer brauchen an ihren Fahrrädern nur eine Bremse zu haben, sagt ausdrücklich eine Dienstanweisung der Polizei zu § 65 StVZO.
Die Meinung von Passanten zu „Fixes“
Ältere Radfahrer reagieren meist unsicher, wenn sie befragt werden, ob für sie ein „Fixie“ infrage kommt. Sie wollen kein Geld für Räder ausgeben, die ihnen unfallträchtig erscheinen.
Viele jugendliche Fahrradenthusiasten lieben „Fixes“, weil das Fahrgefühl direkter ist als bei normalen Rädern. Sie können nur auf den „Fixes“ mit Kunststücken den Gleichaltrigen ihre Geschicklichkeit und schnelle Reaktion zeigen und dafür Bewunderung einheimsen. Nur auf „Fixes“ können sie, ihrer Meinung nach, ihre Ausdauer auf langen Strecken austesten und sich „auspowern“. Fahrradfahrer lieben an „Fixes“ dass sie mit diesen in der Ebene schnelle und mühelose fahren können und Kunststücke mit der Artistik von Kunstradfahrern und der Choreografie des Skateboardings verbinden können. Rundheraus gesagt sind, nach Meinung der Meisten befragten, Erwachsene die „Fixes“ nutzen Minimalisten, die, auf ebenen Strecken gerne einmal ein neues, zusätzliches Rad ausprobieren wollen oder Fahrradkuriere, die in der Großstadt ihre Post oder Päckchen schnell ausliefern müssen.
„Fixes“ stellen sich im Internet vor
Im Internet kursieren Videos, in dem Jugendliche mit flotter Musik untermalt, Kunststückchen auf dem „Fixie“ zeigen: Ein Kurzfilm bei Youtube nennt sich „Fix and the City“. Auch der Rapper, Sänger und Musikproduzent Kayne West fährt ein „Cinelli Vigorelli Fixie“.
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Quelle: dpa, Urteil des Verwaltungsgerichtes von 2010, Spiegelbericht aus dem Jahr 2010, eigene Interviews.