Die Entwicklung des Fahrrads vom Fortbewegungsmittel zum Wirtschaftsfaktor
Heute gehört das Fahren mit einem Rad, möglichst aus dem Fachhandel, zum guten Ton. Der ADFC fordert sichere Verkehrsbedingungen für Radfahrer.
Als Karl Drais im Jahre 1817 das erste bekannte Fahrrad entwickelte, wurde dadurch eine Entlastung der Transportwirtschaft erwartet. Gepäck und Waren wurden bis dahin mühselig durch Holzkonstruktionen, Flöße, Schiffe, Menschen, Kamele, Pferde und andere Transportmittel bewegt. In den Folgejahren trugen zwar viele Erfinder zur Entwicklung des Fahrrades bei, doch trotz aller Neuerungen war dem Fahrrad ein wirtschaftlicher Erfolg erst 1974 beschieden. Zu diesem Zeitpunkt wurden in der Bundesrepublik erstmals mehr Fahrräder als Autos verkauft.
Heutzutage ist das Fahrrad für Hersteller, Händler, Verbraucher und Touristikunternehmer, ein fester Wirtschaftsfaktor. Für seine Besitzer ist es nicht selten ein Statussymbol, das seine sichere Unterkunft in der Wohnung hat und bei einer Rast während der Fahrt, in Sichtweite, vor dem Straßencafé geparkt wird. Der Bundesvorsitzende des ADFC (Allgemeine Deutsche Fahrrad Club), Ulrich Syberg, mahnt die Bundesregierung, den Radverkehr endlich mit Geld und Personal zu fördern und sicherer zu machen.
Der neue Trend: Bessere Bedingungen für Radfahrer
Wie Verkehrsminister Ramsauer feststellt, werden durch das Radfahren Ressourcen geschont, wird einem Verkehrsstau vorgebeugt und etwas für die Gesundheit getan. Diese n Aspekte werden, so ergab eine Studie des Bundesverkehrsministeriums, von vielen Menschen unterstützt. Der Anteil der Radfahrer im Straßenverkehr liegt heute, mit etwa zehn Prozent, etwa gleich mit dem Öffentlichen-Nahverkehr. In Berlin, München und Hamburg, fahren bis zu 14 Prozent der Bevölkerung, teilweise auch um schneller an ihr Ziel zu gelangen, mit dem Rad. Gerd-Axel Ahrens, Professor für Verkehrs- und Infrastrukturplanung an der TU Dresden, weist darauf hin, dass vor allem junge Leute zusätzlich nach intelligenten Lösungen suchen, um unterschiedliche Transportmittel miteinander zu kombinieren.
Wie schneiden einzelne Städte bei der Beurteilung ab?
Die Fahrradhauptstadt ist, mit etwa 38 Prozent Radfahrer, unumstritten die Stadt Münster.
Die Stadt Karlsruhe will zur besten Fahrradstadt in Süddeutschland werden und den Anteil des Radverkehrs auf 23 Prozent steigern. Um diese Quote zu erreichen, wurde das „20-Punkte-Programm zur Förderung des Radverkehrs in Karlsruhe“ beschlossen.
Die Stadt Nürnberg rief die Kampagne „Nürnberg steigt auf“ ins Leben, um bis 2015 auf 20 Prozent Radfahrer zu kommen. Frank Jülich, Leiter des Verkehrsplanungsamts erklärt, dass sein Vorbild in Sachen Fahrradfreundlichkeit Kopenhagen sei, das einen Radfahreranteil von 40 Prozent hat.
In Kiel steigerte sich der Anteil der Radfahrer bis zum Jahr 2008 auf gute 21 Prozent. Dort wurde, wie der Radbeauftragte der Stadt, Uwe Redecker, erklärt, viel gebaut, markiert, Fahrradstraßen und fast alle Einbahnstraßen für Radfahrer geöffnet. Die wichtigste Änderung sei das Fahrradforum. In diesem kommen, so Redecker, sechs Mal im Jahr Verwaltung, Politik, Polizei und Verbände zusammen. Für Krimifans wurde etwas Besonderes erdacht. Sie können, bei speziellen Radtouren, die Ermittlungswege des Kieler TV-Kommissars mit dem Rad verfolgen.
Das Fahrrad wird zum Wirtschaftsfaktor
Im 2.Fahrradbericht der Bundesregierung, aus dem Jahr 2007, wird hervorgehoben, dass der Fahrradbestand in Deutschland, mit insgesamt 73 Millionen Rädern, höher ist als die Zahl der Personenkraftwagen (Pkws), die nur 42 Millionen betragen. Demnach besitzen rundgerechnet 80 Prozent aller Haushalte in Deutschland wenigstens ein Fahrrad. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) informiert, das jährlich etwa vier Millionen Fahrräder hinzukommen. Im Vergleich wird vom Kraftfahrzeug Bundes Amt (KBA) bekannt gegeben, dass im Jahr 2010 rundgerechnet drei Millionen Kraftfahrzeuge gekauft wurden. Im Forschungsbericht 583, vom September 2009, wird eröffnet, dass der Fahrradhandel auf ein Umsatzvolumen von rundgerechnet fünf Milliarden, bei einem Gesamtumsatz der vom Fahrrad abhängigen Wirtschaft, von fast 14 Milliarden, blicken darf. Wie die Behörde weiter bekannt gibt, stellt die Fahrradbranche, die Industrie, der Handel, der Tourismus etwa 220.665 Vollzeit-Arbeitsplätze und gilt damit laut Branchenverband VSF (Verbund Service und Fahrrad), als eine der wirtschaftlich zukunftsträchtigsten Branchen.
Kunden von Fahrrädern investieren, gestaffelt nach ihren Bedürfnissen, in Qualität
Fahrräder tragen zur Lösung der Probleme von Staus in Innenstädten, Luftverschmutzung und Bewegungsmangel bei. Mit ihnen macht es Vergnügen in der Freizeit oder täglich zur Arbeit zu radeln. Weil Fahrräder den gestiegenen Qualitätsansprüchen gerecht werden müssen, lassen sich die Kunden gerne beim Kauf beraten, schätzen Service. „Den Deutschen ist ein hochwertiges Fahrrad wichtig“, erklärt Albert Herresthal, Geschäftsführer des VSF, einem Zusammenschluss von über 275 Händlern und Herstellern der Fahrradbranche. Hochwertige Fahrräder werden, laut Branchenmagazin „RadMarkt“ , offensichtlich, so belegt auch das Umsatzplus von 55 Prozent der letzten sechs Jahre, im Fachhandel gekauft. Für 2011 wird ein deutliches Umsatzplus erwartet.
Herresthal hält die Aussage, dass ein Fahrrad durchschnittlich 446 Euro kostet, wie sie vom Zweirad Industrie Verband (ZIV) für 2009 kommuniziert wird, “ für wenig aussagekräftig. Wenn die Statistik stimmen sollte, müssten, nach seiner Meinung, alle „Kinderfahrzeuge und offensichtlicher „fabrikneuer Sperrmüll“ aus den Bau- und Supermärkten aus der Erhebung herausgenommen werden.“
Der VSF hat aus den Daten des Fachmediums „SAZbike“, die sich mit der Aussage des Pressedienst-Fahrrad decken, ermittelt, dass für „City- und Trekkingräder“ im Standard-Fachhandel durchschnittlich 624 Euro gezahlt werden. Der Geschäftsführer Gunnar Fehlau ist der Meinung, dass unter 500 Euro keine soliden Räder für den Alltagsbetrieb hergestellt werden können. Der Premium Fachhandel, in dem bevorzugt aktive Touren- und Alltagsradler einkaufen, erhebt, so die Recherche des VSF, einen durchschnittlichen Fahrradpreis von 1.057 Euro.
Für die in letzter Zeit so beliebten Pedelec Fahrräder, die mit Elektro-Unterstützung fahren, gaben Käufer 2010 im Premium-Fachhandel, nach Datenlage des VSF, im Schnitt 2.404 Euro aus.
Die Tendenz der Radfahrer im Tourismus steigt
Zusätzlichen Rückenwind für seine Branche sieht Herresthal im Tourismus und speziell bei Städtetouren. Immerhin meldete Trendscope 2009, dass 4,88 Millionen Deutsche einen Radurlaub mit mindestens einer Übernachtung in Berlin, München oder Hamburg machten.
Unfallprävention für Radfahrer gefordert
„Autofahrer müssen zukünftig mit mehr Radfahrern auf der Straße rechnen“, sagt Ronald Winkler, Fahrradexperte beim ADAC. Er fordert, dass in allen Tempo-30-Zonen Radfahrer erlaubt sein müsse, trotz vorhandenem Radweg, auf der Fahrbahn zu fahren. Auch die Nutzung von Einbahnstraßen müsste Radfahrern von beiden Seiten, gestattet werden. Er begrüßt die hohe Radlerquote von Münster, bedauert aber, dass die Unfallquote der Radfahrer die der Autofahrer übertrifft. Dem Direktor des Polizeipräsidiums Münster fällt auf, dass schwere Verkehrsunfälle von Radfahrern an der Tagesordnung sind. Im Jahr 2010 kamen in Münster drei Radfahrer bei Unfällen ums Leben. Die Unfallzahlen der Stadt Kiel zeigen Positives auf. Sie sinken trotz steigendem Verkehrsaufkommen. Der Radbeauftragte Redecker führt das auch auf die Präsenz der Radler und der neuen Fahrradstreifen, die zwischen den Autostreifen liegen, zurück.
Was Radfahrer von den Politiker fordern
Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer (CSU) kümmert sich zu wenig um die Sicherheit der Radfahrer im Straßenverkehr, so bemängelt der ADFC im Namen der Radfahrer. Er schlug Anfang des Jahres 2011 drei Verkehrssicherheitsmaßnahmen für Radfahrer vor, die schwere Fahrradunfälle verhindern oder minimieren helfen und ihre Folgen abschwächen sollen.
- Ein Warnsystem gegen sich öffnende Autotüren
- Ein Abbiege- und Bremsassistent für Lkws
- Ein Außenairbag für Pkws
Zum Bedauern des ADFC-Bundesvorsitzenden Ulrich Syberg erfolgte auf die Vorschläge, die teilweise bis 2010 zurückliegen, bisher keine Resonanz.
Der ADAC führt als Hauptursache tödliche Fahrradunfälle Kollisionen mit Kraftfahrzeugen, bei denen überwiegend Autofahrer die Verursacher sind, auf.
Andere Verbände und Kfz-Hersteller bestärken den ADFC darin, dass Schutzmaßnahmen zum Wohl von Fußgängern und Radfahrern ein wichtiger Beitrag zur Verkehrssicherheit sind.
Strafen für Autofahrer und Radfahrer
Autofahrer und Radfahrer sind oft ein und dieselbe Person. Darum ist es praktisch, dass ADAC und ADFC eng zusammenarbeiten. Sie informieren die Verkehrsteilnehmer gemeinsam, über Verwarnungsgelder und Strafen.
Das Oberverwaltungsgericht Münster beschloss am 15.04.2011 (AZ. 5 A 954/10) das Parken auf öffentlichen Radwegen mit einem Verwarnungsgeld von mindestens 15 Euro geahndet wird. Der Autofahrer riskiert, wenn die Gefahr besteht, dass weitere Autofahrer seinem Beispiel folgen könnten, dass sein Wagen abgeschleppt wird. Auch für Radfahrer die zwei Räder nebeneinander auf dem Radweg parken, gelten diese Vorschriften. Als Ausnahme gilt eine Beschilderung durch Verkehrszeichen.
Fahrradfahrer, die mit mehr als 1,6 Promille Alkohol im Blut auf ein Rad steigen und dabei von der Polizei erwischt werden, droht eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU). Stimmen sie dieser Untersuchung nicht zu, kann ihnen, so entschied das Bayerische Verwaltungsgericht in einem Beschluss (Az. 11C 09.2200) der Führerschein für ihr Auto entzogen und das Fahrradfahren verboten werden.
Ein Nachschlagewerk erleichtert Kommunen die Planung und Einbindung von Radwegen
Der ADFC begrüßt, anlässlich des zweiten Nationalen Radverkehrskongresses, dass viele Bundesländer und Kommunen dem Bund in Sachen Radverkehrsförderung deutlich voraus sind. Er bemängelt, das das Bundesverkehrsministerium sich als Bremse des Radverkehrs in Deutschland erweist.
Auf der Tagung stellte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann, (CSU),die Gründungsinitiative der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen vor und weist auf das neu erschienene Radverkehrshandbuch Radlland Bayern, hin. Es ist ein Nachschlagewerk für Landkreise und Kommunen, Planer in den Planungsbüros sowie Vereine, Verbände und Initiativen, die sich für den Radverkehr engagieren.
Quellen: Stat. Bundesamt, HDE, VDZ.
Infos im Merkblatt Überlebenstechnik
Autor: Monika Hermeling